SEPTEMBER 2020
Wir leben in einer dualen, zweigeteilten Welt. Das wird uns schon als Kinder in zahlreichen Märchen und Geschichten aufgezeigt. Es gibt die Guten und die Bösen. Zwei sich entgegengesetzte Kräfte, die beide Teil der gleichen Realität sind. Irgendwann beginnen wir uns als Mädchen oder als Junge zu identifizieren. Später nehmen wir vielleicht eine linke oder rechte politische Haltung ein.
Als Teenie liebte ich alles, das das Yin-Yang-Symbol trug. Ich hatte Ringe, Ketten, Poster, T-Shirts. Zugegeben wusste ich dazumal nicht wirklich viel über die Bedeutung dieses Symbols oder seiner Herkunft, doch intuitiv wusste ich es trägt eine tiefe Weisheit. Und es sprach für sich: Ein Kreis mit zwei unterschiedlichen, sozusagen gegensätzlichen Hälften - einer weissen (Yang) und einer schwarzen (Yin), die sich aber harmonisch ineinander schmiegten. Doch was mich am meisten faszinierte war, jede Hälfte enthielt auch einen Anteil der anderen Seite, symbolisiert mit dem weissen Punkt im schwarzen Feld und umgekehrt. Heisst das also es gibt keine absolute Polarität? Gibt es immer auch etwas Gutes im Bösen und umgekehrt?
Mein Qi-Gong Lehrer erklärte mir viele Jahre später das Prinzip der Dualität im Taoismus folgendermassen: "Am Anfang war die EINheit, ein einziger kleiner Punkt. Um den Punkt herum bildete sich ein Kreis, das Ganze oder All. Um sich selbst zu erfahren teilte sich das Ganze in zwei Teile - Yin und Yang, Tag und Nacht, männlich und weiblich. Der spirituelle Weg soll uns in einer Realität, die wir als zweigeteilt und getrennt wahrnehmen, daran erinnern, dass beide Seiten Teil desselben Kreises sind, dass alles schlussendlich wieder das Ganze ist."
Die "alles ist eins" Ansicht findet sich genauso in den meisten spirituellen Weltanschauungen genau so wie auch die Anerkennung der Dualität oder Polarität. In schamanischen Traditionen bezieht man sich auf Mutter Erde und Vater Himmel, im Hinduismus auf Shiva und Shakti und im Taoismus eben auf Yin und Yang. Gemeinsam haben sie das Wissen um zwei quasi gegensätzliche Kräfte, die in unserer Welt wirken und die wir als Menschen beide in unterschiedlichem Ausmass verkörpern.
Hier ein paar Beispiele wie sich diese Prinzipien in unserer Umwelt und in uns Menschen zeigen.
Y A N G
männliches Prinzip
Sonne
Tag
Feuer
aktiv
heiss
hell
hart
extrovertiert
penetrierend
Gedanken
Intellekt
Kopf
Wissenschaft
Ambition
Y I N
weibliches Prinzip
Mond
Nacht
Wasser
passiv
kalt
dunkel
weich
introvertiert
rezeptiv
Gefühle
Intuition
Herz
Spiritualität
Hingabe
Man könnte nun sagen, dass Menschen mit einem männlichen Körper eine stärker ausgeprägte Shiva oder Yang-Seite haben und Frauen somit eher das Shakti oder Yin-Konzept verkörpern. Viele von euch würden sagen, das trifft in etwa zu und macht Sinn. Ich finde es jedoch schwierig zu definieren was nun "männliche oder weibliche Eigenschaften" in Bezug auf das menschliche Geschlecht sind. Welche Qualitäten, Attribute, Verhaltensweisen würdest du als weiblich oder männlich beschreiben? Und woher stammen diese Definitionen? Sind sie kulturell oder religiös bedingt? Oder sind sie biologische oder universelle Gegebenheiten? Und was sind die Auswirkungen auf das Individuum und die Gesellschaft wenn diese Prinzipien aka. Stereotypen glorifiziert oder auch abgelehnt werden?
Zweifelsfrei leben wir zumindest hier im Westen in einer Kultur, die die männlichen Prinzipien feiert und die weiblichen nicht würdigt. Besser tun als sein, besser denken statt fühlen, besser schneller statt langsamer, besser mehr statt weniger, besser nehmen statt bekommen, besser Kontrolle statt Vertrauen, besser nach aussen schauen statt nach innen, besser competitive als empathisch, besser stark als verletzlich, besser gegeneinander statt füreinander.
Wo uns das hingeführt hat, sehen wir ja. Es ist Zeit das ganze wieder in Balance zu bringen.
>> Wo würdest du dich selbst auf dem Yin-Yang-Spektrum einordnen?
>> Als Frau, lässt du deinen weiblichen Seiten genügend Raum oder befindest du dich auch überwiegend im Yang-Modus? How well can you receive, open and surrender?
>> Bist du als Mann in Kontakt mit deiner weiblichen Seite, deiner Intuition, deinen Emotionen, deiner Verletzlichkeit? Und was bedeutet für dich Männlichkeit?
Schlussendlich gehört die Dualität zu unserer Realität und beide Seiten haben ihre Daseinsberechtigung - Gut und Böse, Licht und Dunkelheit, Sommer und Winter, Gesundheit und Krankheit, Glück und Leid. Es ist die Dualität, die uns das Leben überhaupt erfahren und erLEBEN lässt. So let's embrace both.
And don't forget: it's just two sides within the same circle anyway ;)
Vanessa
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